Kommentar: Pressefreiheit ist nicht verhandelbar – Bonn zeigt, wie sie unter Druck gerät

Der Vorfall bei der Pro-Palästina-Demonstration in Bonn ist mehr als nur eine Anekdote über eine Polizeikontrolle. Er ist ein Warnsignal. Ein Blogger, der journalistisch arbeitete, wurde von Polizeibeamten ohne erkennbare Rechtsgrundlage in seiner Tätigkeit behindert. Erst ein Passant machte durch sein Eingreifen sichtbar, dass hier etwas nicht stimmt. Dass in einem demokratischen Rechtsstaat Bürger eingreifen müssen, um die Pressefreiheit zu schützen, ist ein Alarmsignal. 

Polizei Bonn hindert Blogger an Dokumentation - Redakteur von Blogger im Einsatz 

Rechtlicher Rahmen 

Die Pressefreiheit ist in Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz (GG) unmissverständlich garantiert: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“

Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung betont, dass Pressefreiheit nicht nur das Veröffentlichen, sondern bereits die Recherche und Informationsbeschaffung schützt. (BVerfGE 20, 162 – Spiegel-Urteil; BVerfGE 103, 44 – Cicero-Urteil). Behörden und Polizei sind demnach verpflichtet, Pressearbeit nicht zu erschweren, sondern aktiv zu ermöglichen.

Polizei und Willkür

Wenn Beamte ohne konkrete Beweise oder Rechtsgrundlage die Personalien von Journalistinnen und Journalisten oder Blogger verlangen, bewegen sie sich gefährlich nah an der Grenze zur Polizeiwillkür. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – ein Kernprinzip des Polizeirechts – verlangt, dass jeder Eingriff in Grundrechte gerechtfertigt, geeignet und notwendig sein muss. Eine pauschale Behinderung der Presse erfüllt diesen Maßstab nicht.

Das Verwaltungsgericht Berlin stellte 2020 (VG Berlin, Az. VG 1 K 135.19) klar, dass die Polizei Pressevertreter nicht ohne zwingenden Grund in ihrer Arbeit behindern darf. Auch der Deutsche Presserat und Journalistenverbände warnen seit Jahren vor zunehmenden Übergriffen und Einschränkungen durch Sicherheitskräfte.

Verantwortung von Demonstranten und Polizei

Nicht nur die Polizei steht in der Pflicht. Auch Demonstranten, die Journalistinnen und Journalisten anfeinden, sie als „Feinde“ brandmarken oder ihnen den Zugang verwehren, untergraben die Grundrechte aller. Pressearbeit ist unbequem, aber unverzichtbar. Wer sie verhindert, handelt gegen das demokratische Prinzip der Öffentlichkeit.

Gefahr der schleichenden Aushöhlung 

Die Pressefreiheit verschwindet nicht über Nacht. Sie wird Stück für Stück ausgehöhlt – durch kleine Kontrollen, durch Einschüchterung, durch die Gewöhnung an Einschränkungen. Wenn in Bonn bereits Blogger und freie Journalisten ins Visier geraten, dann ist das ein ernstes Warnsignal.

Die Bundesrepublik darf hier nicht den Weg anderer Länder gehen, in denen Pressefreiheit zunächst nur „ein bisschen“ beschnitten wurde – und am Ende kaum noch existierte. Die Bonner Ereignisse zeigen, dass Wachsamkeit geboten ist.

Schlussfolgerung

Pressefreiheit ist kein Gnadenrecht der Polizei, das je nach Laune gewährt oder verweigert werden darf. Sie ist ein Grundrecht – unveräußerlich, nicht verhandelbar. Wer Journalistinnen und Journalisten behindert, stellt sich gegen das Grundgesetz selbst.

Es liegt an uns allen, ob Bonn ein Einzelfall bleibt – oder ob wir uns daran gewöhnen, dass Pressefreiheit Schritt für Schritt zurückgedrängt wird. Die Gesellschaft, die Medien und die Gerichte müssen klarstellen: Pressefreiheit ist unantastbar. Und wer sie verletzt, muss dafür zur Verantwortung gezogen werden.

Kommentar: Redakteur von Blogger im Einsatz 

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